Dienstag, 14. Januar 2014

Tierisches

Die ganze Nacht donnert die Brandung und der Wind rüttelt am Zelt. Ich glaube, ich habe im "Windkanal" gezeltet, denn 100 m weiter, auf dem Zubringerweg, ist kein Wind zu spüren. Am Morgen zeigt sich, was die Schotterpiste gestern angerichtet hat, den Benzinkocher hat es zerlegt, seine Schutzhülle ist auch durchgescheuert. Ich habe jetzt keine Lust, ihn ausführlich zu reparieren, immerhin erzeugt er notdürftig zusammengelegt doch noch genügend warmes Wasser für meinen Kakao.
Die Lisl springt gut an, obwohl ihr das Laptop gestern viel Strom geklaut hat.
Der Wind kommt von hinten, so ist es angenehm zu fahren. In Puerto Moreno gibt es wohl so etwas wie einen Aldi, das Zeichen sieht sehr ähnlich aus. Der Name ist aber "Los Anonimos" - auf jeden Fall bekomme ich alles. Ebenso wie an der Tanke wieder Internet zu haben ist.

Ich habe den Eindruck, daß der Wind zugenommen hat, seit ich an der Tankstelle eingetroffen bin. Es pfeift und schüttelt überall. Ich habe schon Schwierigkeiten, die Lisl in die Senkrechte zu bekommen. Ob ich überhaupt losfahren soll? Vielleicht ist es ja morgen besser? Aber nein, jetzt kann ich nicht schon aufgeben! Durch Puerto Moreno hindurch ist alles im grünen Bereich. Ab dann haben wir unerwartet eine schöne Asphaltstraße. Der Wind bläst weiterhin von hinten oder schräg hinten, so spüren wir ihn überhaupt nicht. Die Lisl will rennen - aber über 90 lasse ich sie nicht. Wenn wir oder der Wind die Richtung wechseln, muß sie beherrschbar bleiben. So geht es erstmal zügig dahin.
Ich wollte mir die "Höhle der Hände" anschauen - ein Schotterweg zweigt von der Straße ab. Bis zur Höhle sind es einfach 30 km! Nach der Erfahrung von gestern fällt dieser Ausflug meinem mittlerweile verlorengegangenen (Über-)Mut zum Opfer! Ich kann ja zu Hause vom Sofa aus im Fernsehen schauen, was es dort zu sehen gibt...

 Dann biegt die Straße etwas mehr nach Süden ab und der Wind kommt von der Seite. Die Lisl muß schon ziemlich in Schräglage gehen. Es ist anstrengend, ich muß den Lenker ordentlich festhalten. Man glaubt gar nicht, was so eine "kleine" Leitplanke ausmacht - sie bietet dem Fahrwerk einen guten Windschutz. Jetzt muß ich auch noch auf diese Dinger aufpassen - fahren wir neben einer Leitplanke, richtet sich die Lisl auf, fahren wir aus dem Windschatten heraus, kippt sie sofort. Ich selbst merke die Veränderung nicht, der Wind zerrt weiterhin unverändert am Oberkörper. Eine Ortschaft mit Hotel ist angeschrieben, das möchte ich mir mal anschauen. 3 Häuser, eines davon sieht sehr gepflegt aus, davor parken einige Autos. Es ist das Hotel, aber eigentlich ist es nur ein kleiner Laden für die Touristen. Die Lisl parkt mit Mühe quer zum Wind, ich habe ziemliche Angst, daß sie umgeblasen wird. Es pfeift tierisch, die Bäume wedeln kräftig. Ich selbst habe Schwierigkeiten, aufrecht zu stehen oder gehen. Eine kleine Verschnaufpause gönne ich uns. Mist - der Reißverschluß zwischen Jacke und Hose geht auch schon kaputt!
Der Wind ist deutlich heftiger geworden - ob ich überhaupt noch weiterfahren soll? Ich versuch's mal. Aber zuerst wird der Windschild am Helm (und damit leider auch die Kamera) abmontiert. Sieht voll uncool aus, aber die Maßnahme wirkt: Kopf und Blick werden deutlich ruhiger, die Nackenmuskeln entspannen. Wieder haben wir Glück und Rückenwind. Natürlich geht das nicht ewig so, schließlich müssen wir ganz stark mit dem Seitenwind kömpfen. Manchmal bläst es die Lisl auf die Gegenfahrbahn und zeitweise gelingt es mir nicht, sie wieder herüberzuholen. Zum Glück ist wenig Verkehr. Obwohl wir manchmal nur gute 40 km/h fahren, ist die Fahrspur sehr schwer zu treffen. Lisl, jetzt mußt Du tapfer sein! Schau zu, daß Dein Motor zuverlässig läuft, Aussetzer können wir jetzt nicht gebrauchen! Genau da fängt sie an zu stottern!!! Schrecklich husten und spucken muß sie jetzt mal wieder - das ist bestimmt Wasser im Sprit! Pfui! Irgendwann erholt sie sich dann doch wieder. Alle auf der Karte verzeichneten "Ortschaften" sind einfach nicht existent. Bestenfalls steht da ein Haus, manchmal auch nur ein Stall. Einsamkeit!

Immerhin gibt es hier ein paar Tiere - Lamas sehe ich gelegentlich. Sie sind sehr scheu und sobald ich anhalte (falls möglich), rennen sie weg. Ein Zaun ist kein Hinernis, da springen sie elegnat drüber. Und sollte ich doch mal anhalten können und welche im Visier haben, dann kommt eine Bö...mit meinen kurzen Beinen kann ich die Lisl nicht aufrecht halten, ich brauche dazu eigentlich beide Hände. Zumindest eine. Mit der anderen versuche ich zu fotografieren, aber wie gesagt, die Bö bläst das Motiv aus dem Sucher.
Aus dem Augenwinkel sehe ich linkerhand am Straßenrand etwas flattern. Sieht aus wie eine Plastiktüte. Aber die gibt es hier nicht, der Wind hat schon lange aller verblasen. Außerdem wirkt es anders. Noch mal schielen, da bewegt sich noch mehr. Sind das Straußen??? Aber die gibt es doch hier nicht! Ah, Nandus vielleicht? Gibt es die denn hier??? Ich sehe heute noch mehr von diesen Vögeln und dann glaube ich es, es müssen Nandus sein. Sie sind zwar meist ziemlich klein, aber vermutlich sind das Junge. Ein größerer Vogel ist auch oft dabei. Fotografieren ist leider auch nicht, die Viecher sind auch scheu und schnell.
Ein andermal bewegt sich ein Stein. Was? Ein Stein, der laufen kann? Eine Schildkröte? Nein, dafür hat das Tier eine zu große Bodenfreiheit, zu lange Beine und einen längeren Schwanz. Das sieht ja fast aus wie ein Gürteltier? Das gibt's doch nicht. Umdrehen und nachschauen. Weg! Oder gut getarnt. Schade. Kurz darauf löst sich das Rätsel, auf der Straße liegt tatsächlich ein totes Gürteltier. Was es hier nicht alles an fremden Tieren gibt...

Das Ende der Asphaltstraße naht, ich habe Angst davor. Ich weiß nicht, wie ich den Seitenwind auf Schotter meistern soll. Keine Ahnung! Keine Taktik! Ihr könnt mir nur die Daumen drücken. Vielleicht ist der Wind ja vormittags schwächer? Direkt an der Abzweigung beginnt der Schotter. Ein kleiner Fluß mit ein paar Büschen fließt nebenher. Und da steht ein verfallenes Haus - eine Ruine, eine Müllhalde. Vielleicht bietet die etwas Windschutz? Na ja, ein ganz klein wenig, aber auch hinter den Mauern zerren Windböen an allem. Da der Boden betoniert ist, kann ich das ZElt nicht verankern, ich muß einfach alles Gepäck hineinlegen. Und jetzt passiert beim Aufstellen auch noch der Gau: eine Zeltstange bricht! Das hatte ich glaube ich in meinem ganzen Leben noch nicht! Und das trotz Aluminiumgestänge! Reparaturmittel? Habe ich dafür keine. Jetzt muß ich "McGuyvern". Erstmal die verrutschte Fährungshülse aus der angrenzenden Stange heruasbekommen. Draht liegt doch hier rum? Der erste ist zu dick, der zweite ist aus FEderstahl und läßt sich nicht biegen. Aber er funktioniert! Dann die Hülse mit 2-Komponentenkleber wieder in die zerbrochene Stange kleben, das abgebrochene (nicht ganz vollständige) Teil drüber und das ganze mit Isolierband fixiert. Den Stahldraht als Schiene innenrein schieben. Scheint zu funktionieren. Fragt sich nur, wie lange das hält - bei DEM Wind!

Es wird Zeit, die Reise zu beenden. Keine Ahnung, wie ich morgen weiter komme. Es gibt keine Alternative.



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